Andreas &  Brigitte Donat 

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Gedanken zur Corona-Krise

April 2020

 

Liebe Kunst- und Yogaschüler/innen, liebe Freunde und liebe Mitmenschen!

 

Es ist nur noch „Corona“ in unseren Köpfen, in unseren Gesprächen, in den öffentlichen Medien, und vieles uns Menschen existenziell Betreffende verschwindet aus dem Fokus des allgemeinen Bewusstseins. Der folgende Text – vielleicht nicht ganz leicht zu lesen -  möchte auf Möglichkeiten  hinweisen, wie aus dem „Umkreis von Corona“ auch positive individuelle und gesellschaftliche Impulse entstehen können.

 

Wie würde Friedrich Schiller vielleicht über „Corona“ denken?
 

Friedrich Schiller hat in seinen Ästhetik-Schriften eine besondere Art der Gedankenbewegung. Er zeigt, wie wir Menschen den Gesetzen der Materie und der Sinneswelt unterworfen sind. Wenn wir z.B. nichts zu essen haben hungern wir, fallen wir vom Balkon brechen wir uns etwas, nehmen wir Gifte erkranken wir. Auch sind wir den Gesetzen der Vererbung unterworfen. Überall hier herrscht Naturgesetzlichkeit und diese lässt Freiheit nicht zu!

Neben dieser Stoffeswelt gibt es ein zweites Reich: die Welt der Idee, der Werte, der Moralität. Auch hier herrscht Unfreiheit und ich werde unter Spannung gesetzt! Will ich mein Leben moralisch ausrichten, so darf ich nicht morden, stehlen, lügen usw. Ich kann wahrhaftig leben wollen, dann darf ich aber nicht einfach über etwas hinwegsehen, was mit dieser Wahrhaftigkeit im Wiederspruch steht. Will ich ein ethisches oder religiöses Leben führen sind die entsprechenden Regeln auch hier für mich bindend.
Gäbe es nach Schiller nur diese zwei Welten wäre der Mensch ein den Naturgewalten ausgeliefertes Wesen und ein idealistischer, religiöser oder moralischer „Automat“, der diese Werte zu erfüllen hätte.
Nun kann aber der Mensch seine Ideale mit der Sinneswelt verbinden. Und hier – einzig und allein hier – herrscht Selbstbestimmung und Freiheit. Ich kann aus eigener innerer Aktivität heraus bestimmen, welche ästhetischen Gesetze ich beim Kunstschaffen, beim Gestalten meines Mittagessens, meines Wohnzimmers oder Gartens zur Erscheinung bringen möchte. Im sozialen Miteinander – ein Gebiet der Lebenskunst - wähle ich frei, ob ich Klarheit, Gesetzesumsetzung oder Toleranz walten lasse möchte. Schiller nennt diese Möglichkeit des freien Gestaltens die Fähigkeit zu „Spielen“. Es ist ein kreatives „Spiel“, das die Ideale mit der Welt der Sinne/Materie in eine neue Ordnung bringt. Dadurch können wir Menschen neben Idee und Materie ein neues Reich der Freiheit, Schönheit und Güte schaffen. Nach Schiller kann eine bessere Welt nicht entstehen, wenn sie nur durch Regeln und Gesetze verwirklicht und durchgesetzt werden soll, oder dadurch, dass durch Bereitstellung materieller Güter alle sinnlichen Bedürfnisse gestillt werden. Nur die innere Aktivität, das „Spiel“ ermöglicht diesen Entwicklungsschritt. Deshalb formulierte Schiller: „ Der Mensch ist nur Mensch, wo er spielt“.

Nun kann man bedenken, dass Schiller eine medizinische Ausbildung zum Arzt absolviert hatte. Es ist faszinierend, wie sein Ästhetisches Denken sich problemlos ins Medizinische übertragen lässt! Es gibt zwei Extreme, in denen der Mensch sein Menschsein verlieren kann. Der Körper kann während „akuter Erkrankungen“ alle Prozesse beschleunigen, Fieber entwickeln, im Körper Substanzen umbauen, abbauen und auflösen. Andererseits  kann er aber auch in“ chronischen Erkrankungen“ den Körper verhärten, sklerotisieren oder durch verlangsamte Prozesse Substanzen ablagern (Arteriosklerose, Steinbildungen, Kalkschulter usw.). Solange der Mensch sein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Polen aktiv hält ist er gesund, verfällt er einem Pol, so erkrankt er oder er stirbt sogar und verliert damit sein Menschsein. Nur solange der Mensch im Spannungsfeld dieser 2 Pole „spielen“ kann ist er Mensch. Dieser medizinische Ansatz findet sich auch schon bei Paracelsus.

Von der Medizin zur Psychologie ist es nur ein kleiner Schritt. Auch hier kann der Mensch in zwei Extreme abrutschen, durch die er dann seine Freiheit verliert. Er kann sich verhärten, Zwangsstrukturen und Zwangsgedanken entwickeln, sich isolieren und Ängsten ausgesetzt sein, die diesen Prozess dann noch immer weiter verstärken können.
Oder aber der Mensch kann manisch oder hysterisch werden, dissoziieren, sich nur noch Zerstreuungen und „Genussexzessen“ hingeben und dabei seine innere Struktur verlieren oder aber völlig irrrational reagieren und sich dabei immer mehr seelisch „auflösen“ und gegebenenfalls in Angst und Panik verfallen.

Und damit stehen wir nun plötzlich in der Mitte des aktuellen Coronageschehens.
Einerseits starren wir wie gebannt auf die täglich neuen Ansteckungszahlen, werden durch Gesetze in den Zwangsurlaub geschickt, verlieren die freie Gestaltung unseres Alltags. Wir sehen, wie immer mehr unser Feld der Selbstbestimmung und Freiheit durch Regelungen eingeengt wird. 
Auf der anderen Seite versuchen wir die auftretende Isolation und Angst durch Horten von materiellen Gütern abzuwenden und uns mit Konsum von Musik, Filmen, Spielen und Internet zu unterhalten, abzulenken oder uns einfach nur „wegzubeamen“.
Und wen vergessen wir in diesen fremdbestimmten, chaotischen ängstigenden Zeiten? Gerade den, um den es ja eigentlich gehen sollte -  den Menschen, der kreativ, schöpferisch ist, der „spielen“ kann und der dadurch etwas zu verändern vermag, etwas Neues schaffen kann, Zukunft gestalten kann!!!!

Welche Möglichkeiten haben wir, mit dieser verrückten Situation umzugehen?
Das einfachste wird sein, man gibt alle Entscheidungskompetenzen einschließlich seines gesunden Menschenverstandes ab, da ja die Politiker und Fachleute am besten informiert sind und wissen, was das Beste für einen ist. Man verpasst möglichst keine Nachrichten, um auf dem Laufenden zu bleiben und man lässt es sich zu Hause gut gehen, schaut fern, surft im Internet, hört Radio und lässt die Seele baumeln. Klingt schön! Nach Schiller geben wir uns aber so nur den Gesetzen und den Regeln hin und ordnen uns diesen passiv unter. Wie lassen die Sinneswelt vor allem in Form moderner Medienreize auf uns wirken und geben uns auch ihnen passiv hin. Wir erfahren und erleben vielleicht viel, werden am Ende vielleicht sogar noch „gescheit“, aber das, was innere Aktivität ist, was Kreativität ist, was im Sinne Schillers „spielen“ bedeutet  und unser Menschsein ausmacht, wird zurückgedrängt, gelähmt und ausgehebelt. Wir degradieren dann zu artigen passiven Konsumenten oder werden krank, aggressiv oder gar destruktiv.

Nach Schiller ginge es also vor allem darum, die innere Aktivitätsfähigkeit, die Selbstbestimmung und Selbstgestaltung zu stärken.

 

Im Folgenden nun Vorschläge, wie man meiner Meinung nach gesünder und vielleicht sogar gestärkt aus der Coronakrise hervorgehen könnte. Natürlich lassen sich die aufgeführten Punkte beliebig abändern und ergänzen.

 

Erweiterung des eigenen Raumes

  • Schreiben:  das eigene Erleben und Innenleben formulieren, kreativ ausdrücken. Oft wollen Kinder, Enkel oder Urenkel wissen, wie die eigene Jugend war. Warum nicht jetzt endlich anfangen, das aufzuschreiben. Man konnte im Rahmen einer Studie beobachten, dass bei Menschen, die begannen, täglich eine ½ Std. innerlich Bewegendes aufzuschreiben, sich das Blutbild messbar verbesserte.
  • Künstlerische Kreativität: Malsachen oder ein altes Instrument hervorholen und täglich spielen oder endlich mal wieder dichten.
    Den Essenstisch schön richten, die Wohnung/den Garten aufräumen, putzen und schön gestalten

Stärkung der täglichen Abläufe:

  • Darauf achten, dass tägliche Gewohnheiten gepflegt werden- zur gewohnten Zeit aufstehen,  Mahlzeiten zu regelmäßigen Zeiten einnehmen, körperliche Hygiene nicht vernachlässigen
  • Tägliche Yogaübungen und Meditationen
  • Tägliches Rausgehen in die Natur – man kann sich dabei vornehmen, bewusst die gerade jetzt im Frühling fast täglichen Veränderungen in der Pflanzenwelt wahrzunehmen oder versuchen, einzelne Vogelstimmen zu differenzieren. Und es lohnt sich, den derzeit wunderschönen blauen Himmel ohne Flugzeug-Kondensstreifen zu genießen.

Bewusstsein im Sozialen Umfeld:

  • Manche Menschen sind jetzt sehr verängstigt und einsam. Mit Ihnen darf man noch telefonieren!!!
  • Die Kultur des Briefeschreibens wiederbeleben! Die Mühe, einen Brief von Hand zu schreiben, oder gar schön zu gestalten, stärkt die inneren Lebenskräfte und hat mehr seelische und soziale Wärme als jede SMS.
  • Beim Einkaufen usw. an Nachbarn denken und wenn nötig helfen
  • Mit den Kindern mehr spielen, basteln oder ihnen etwas vorlesen. In vielen Familien kommt die Eltern/Kind Beziehung viel zu kurz, das könnte man jetzt endlich ändern.
  • Viele Kirchen und Gemeinschaften haben jeweils eigene Ideen entwickelt, um das Miteinander in der Menschheit zu stärken. Auch da kann man sich vielleicht anschließen

Stärkung des eigenen inneren Wesens:

  • Täglich regelmäßig eine kurze Zeit für Gebete oder Meditation nutzen. Sollte einem das nicht liegen, so kann man auch eine kurze Zeit aus religösen oder spirituellen Texten lesen. Macht die Erfahrung, wie es ist, solche Texte oder auch Gedichte täglich laut zu lesen. Das gibt mehr inneren Halt als man im Allgemeinen denkt!
  • Ein Freund von mir hat in dieser Art eine Initiative angeregt: Man lese jeden Tag um 9.00 Uhr und um 19.00 eine ½ Stunde in Texten Rudolf Steiners (die alle im Internet abrufbar sind). Auch dadurch, dass Menschen sich in individuellen, nicht egoistischen Kreisen zusammenschließen entsteht „Soziale Wärme“, die in unserer materialistisch kalten und berechnenden Zeit leider sehr abgenommen hat.

 

Wer glaubt, dass nach Corona die Welt so weitergeht wie zuvor, der täuscht sich unseres Erachtens. Es konnte in der Vergangenheit beobachtet werden, dass Pandemien im Gegensatz zu Naturkatastrophen nicht zu mehr Gemeinschaft und Solidarität führen, sondern zu einer „Entsolidarisierung“.  

Nutzen wir die Zeit der Krise zur inneren Stärkung wie zuvor angeregt.Nutzen wir die durch die CoronaKrise entstehenden zeitlichen Freiräume und neuen Erfahrungsfelder und nehmen unser Leben freigestaltend selbst in die Hand! Nur so können wir das soziale Miteinander beleben und gestalten und damit  freie Bürger bleiben, die die Gesellschaft  stärken und tragen.

 

                                      Andreas und Brigitte Donat

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